Leben retten!
Seit Tagen liegt die lezte Ausgabe des Süddeutschen Magazins auf meinem Tisch - ungeöffnet. Auf dem Titelbild sind Gegenstände aus dem Mittelmeer abgebildet. Die Besitzer sind ertrunken. Es ist unerträglich.
Zwei Jahre lang habe ich in Schweden Integrationskurse gegeben. Ich habe zu vielen der Schwedischlernenden aus Syrien, Eritrea, Kongo, dem Irak, Afghanistan eine ziemlich emotionale Beziehung aufgebaut. Das ist nicht professionell. Aber es ist menschlich. Ich habe aus dieser Zeit sehr schöne Erinnerungen an die Leute und an ihren Lebensmut. Und viele Sätze haben sich in mein Gedächtnis eingegraben, allen voran der Satz eines 40-jährigen Syrers, der aus der Übung entstanden ist, mit dem Wort "erstaunt" einen Satz zu bilden:
"Ich bin jeden Morgen erstaunt, am Leben zu sein."
Auch er war über das Mittelmeer gekommen.
Diesen Mann, der ein solches Interesse an den Einzelheiten meiner Muttersprache an den Tag gelegt hat, der immer freundlich zu allen war, immer bemüht war, sein Bestes zu geben, den hätte es eigentlich genausogut nicht mehr geben können. Diese Einsicht traf mich sehr hart.
Und ich fragte mich, wer die Leute waren, die es nicht geschafft hatten. Wer fehlte im Unterricht?
Als ich letzte Woche wieder von 70 Toten im Mittelmeer gehört habe, ging es mir, ich hoffe wie allen anderen auch, die es gehört haben, beschissen. Und ich habe mich gefragt, warum ich dagegen nichts tun kann oder einfach nicht tue. Umsomehr hat mich das Interview mit Pia Klemp beeindruckt, das in der Süddeutschen Zeitung am selben Tag, wie der Artikel über die Gegenstände im Mittelmeer erschien.
Pia Klemp ist Aktivistin und hat mit ihrem Crew im Mittelmeer 5000 Leute vor dem Ertrinken gerettet. Nun droht ihr eine lange Haftstrafe, weil sie angeblich Beihilfe zur illegalen Einreise geleistet hat. Sie sagt:
"Wir haben nur internationales Recht befolgt, vor allem das Seerecht, wo es das alleroberste Gebot ist, Menschen aus Seenot zu retten."
Natürlich hat Pia Klemp recht. Keiner soll dafür bestraft werden, dass er Menschen rettet. Zudem sollen sich Menschen natürlich nicht gezwungen sehen, die Fahrt über das Meer des Todes zu wagen. Deswegen brauchen wir eine andere europäische Politik! Bis diese andere Politik kommt, wird es aber dauern. Und die Menschen sterben weiter.
---> Hier kann man spenden.
---> Pia Klemps Rede vom 23. Februar
21.5.2019